„Never stop playing“ by Lukas Wetzel

Es freut mich sehr, dass ich heute den Text von Lukas mit euch teilen darf. Ein Freund aus Schulzeiten – von dem ich lange nichts gehört habe. Lukas hat meinen Blog gelesen und sich als leidenschaftlicher Schreiber geoutet. Wir haben uns ausgetauscht und dann die Idee gehabt, etwas gemeinsam zu starten – et voilá: ein Gastbeitrag! Meine Gedanken zum Thema folgen im nächsten Beitrag.

P.S.: Dein Text rockt, Luke! Auf weitere Schreib-Cooperations.

„Never stop playing“ – diese Zeile lese ich, sobald ich aus meinem WG-Zimmer trete. Sie steht auf einer der Postkarten, die meine Türe zieren. Darauf abgebildet ist ein Mann, der mit einem Bein auf einem Stein balanciert, bei einem sagenhaften Morgenrot. Keine Frage, das Leben verlangt Balancekünste von uns – wenn Träume platzen, Pechsträhnen anhalten oder das Schicksal zuschlägt. Corona hat mich, wie viele andere, vor den Computer zuhause verbannt. Ich studiere Soziale Arbeit. Irgendwann wurde ich melancholisch. Geliebtes Studentenleben passé! Doch jeden Tag stolpre ich über die Karte.

Never stop playing.

Was steckt nur dahinter

Klar, ich bin kein Kind mehr. Aber ein Leben ohne Spiel, das wäre ja purer Ernst! Corona macht das Leben jedoch ernster, nimmt mir die Unbeschwertheit. Allein die Masken, die ein schönes Lächeln überdecken. Umso wichtiger ist es für mich, das Spielkind in mir zu entdecken. Wild drauf loskritzeln, Fange spielen, Grimassen schneiden. Kinder freuen sich über Winzigkeiten. Die kann ihnen auch kein dämliches Virus nehmen. Doch wie stehts bei mir mit den kleinen kindlichen Freuden?   

Postkarten ziehen mich magisch an. Dicke Wälzer weg – vielleicht steckt die Wahrheit ja in kurzen Sätzen, die auch ein Kind versteht!

Ich bin auf der Suche nach Sprüchen, die mich aufhorchen lassen. Nach und nach habe ich meine Zimmertüre zugekleistert mit Karten: „Einfach. Zufrieden. Sein“. „Egal, wie viel Kekse du isst, Schuhe passen immer“. Oder mein Corona-Liebling: „Komme, Was Wolle“, darauf abgebildet ein ungeschorenes Schaf, das den Betrachter gelassen anblickt.

Seit Kurzem arbeite ich im Fairkauf in Weingarten, einem Second Hand Laden. Bei der Arbeit fühle ich mich wie ein Kind im Spielzeugladen. Jeden Tag kommen kartonweise Sachen im Lager an. Manchmal gibt’s richtige Volltreffer: Saugroboter, Massagegerät, Crêpes Maker. Crêpes machen, während der Saugroboter putzt? Und nach dem Essen eine Massage? Sehr verlockend! Ich muss das Kind in mir bremsen, es würde am liebsten den halben Spielzeugladen ausräumen.

Mandalas ausmalen – ist doch Kindergarten. BK war für mich früher aber eher Freistunde als Leidenschaft. Dann bin ich wohl im Kindergarten genau richtig. Im Buchladen habe ich zu „Colorful Moments – Ausmalen & Entspannen“ gegriffen. Meine Buntstifte sind griffbereit. Ich spiele smoothen Bluesrock. Für die Nase gibt’s verdampfendes Lavendelöl, für den Gaumen Grünen Tee.

Und los geht’s! Eine Stunde lang Kindergarten, Tiefenentspannung und Fröhlichkeit.

Nichts sehen, hören, riechen, schmecken und spüren – ein Leben ohne Sinne wäre im wahrsten Sinne des Wortes sinnlos. Gegenüber meiner Wohnung ist ein kleines Kunstatelier. Beim Betrachten eines Gemäldes bekam ich Gänsehaut. Das Bild stellt diese Sinnlosigkeit so intensiv dar. Ein Bürokrat mit Glatze im weißen Hemd ist darauf zu sehen. Hölzerne Wäscheklammern klemmen seine Augen, Ohren, Nase und Mund zu. Völlig ausdruckslos, völlig gefühllos starrt der Mann mich aus dem Bild heraus an. Der Sinn der Postkarte mit dem Balancekünstler erschließt sich mir in diesem Moment völlig: „This bureaucrat stopped playing!“ So leblos wie der Bürokrat möchte ich auf keinen Fall werden. Ich will nicht aufhören, zu spielen. Ich will auch mal Kind sein.

In meiner Wohnung liegt eine Sammlung Asterix-Hefte, die ich als Kind verschlungen habe. Kann man zu alt für Asterix sein? Nein! Die Comics sind die perfekte Lektüre nach 30 Seiten Sozialmedizin. Beim Lesen denke ich an meine Postkarten. Von den Galliern könnte ich mir eine Scheibe abschneiden. „Einfach. Zufrieden. Sein“ – das leben die Gallier doch vor. „Komme, was wolle“ – die Gallier haben nur Angst davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Oder das Lebensmotto von Obelix: „Egal wie viel Wildschweine du isst, Schuhe passen immer“.

Ganz Spielkind bin ich beim Basketball. Dribblings, Würfe, Pässe – alles geschieht blitzschnell, mal reflexartig, mal kontrolliert. Beim Basketball fühle ich mich so lebendig wie mit 14, als ich zu spielen begann. „Never stop Playing“!

Solange mein Körper „mitspielt“, will ich weiter Basketball spielen. Auf dem Court kann ich für ein paar Stunden Corona und alle anderen Sorgen vergessen.

Lukas Wetzel.