Nach meinem letzten Beitrag über Laila – der doch einige unvorhergesehene Reaktionen ausgelöst hat – möchte ich euch etwas über meine Arbeit erzählen. Als Beraterin für Integration in Ausbildung begleite ich Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, auf Ihrem Weg in die Berufsausbildung. Egal woher, egal wie alt. Egal wie der rechtliche Status im Moment aussieht. Wir versuchen, Perspektiven aufzuzeigen.
Ein ganz klarer Arbeitsauftrag. Klingt eigentlich auch einfach, oder? Es ist allerdings alles andere als das. Es geht um viel mehr, als Berufsberatung und Ausbildungsverträge. Es geht um ganze Schicksale, die oft mit in eine Beratung gebracht werden. An manchen Tagen habe ich so viele unterschiedliche Probleme auf dem Tisch, dass ich an meine Grenzen komme. Ich muss immer wieder meine Meinung überdenken. Wer möchte, dass ich helfe und mich einsetze, von dem erwarte ich Ehrlichkeit und Offenheit. Bei Laila war es zu Beginn unserer Zusammenarbeit auch nicht einfach. Nachdem ich ihre Geschichte kannte und wie sie damals gewohnt hat, was sie alles beschäftigt hat, da konnte ich viel besser mit ihr umgehen. Und plötzlich hat sich alles gelöst. Aber auch bei ihr, war es ein langer Weg mit zahllosen Gesprächen.
Es ist wie bei jedem Beruf, der mit Menschen zu tun hat. Es gibt die positiven und die negativen Beispiele.
Es gibt die Menschen, die Ratschläge annehmen und es gibt diejenigen, die das nicht tun. Ich versuche in jedem Menschen das Gute zu sehen, die Potenziale und die Fähigkeiten. Auch wenn es in erster Linie um die berufliche Zukunft geht – die größten Erfolge können wir feiern, wenn man den ganzen Menschen sieht.
Letzte Woche hatte ich einen Termin mit einem jungen Mann, den ich schon seit zwei Jahren kenne. Er macht eine Ausbildung, ist sehr gut in der Schule, sein Deutsch ist fast perfekt. Vor fünf Jahren ist er mit Freuden aus Syrien nach Deutschland geflohen. Losgezogen sind sie mit einem Rucksack mit dem Notwendigsten – angekommen sind sie nur mit dem, was sie anhatten. Er hat mit größtem Engagement und Einsatz seinen Weg hier in Deutschland gemeistert. Jetzt saß er vor mir und zeigte mir sein wirklich gutes Zeugnis. Doch irgendwas bedrückte ihn. Ich habe nachgefragt. Er erzählt mir, dass sein jüngerer Bruder in Syrien in wenigen Monaten ins Militär eingezogen werden soll. Daran führt kein Weg vorbei, sobald er sein Studium abschließt. Die Fluchtwege sind versperrt. Der Libanon wird seine einzige Chance sein, nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Und wer die Nachrichten verfolgt, der weiß, dass es im Libanon aktuell auch nicht gerade rosig aussieht – schon gar nicht für syrische Flüchtlinge. Und mit diesen Sorgen im Gepäck steht er nächste Woche wieder auf und geht zur Arbeit. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr mich das oft selbst belastet.
Trotz all dieser oft sehr schweren Schicksale – es geht auch darum, die Chancen hier in Deutschland zu nutzen.
Und zu meiner Aufgabe gehört es das immer wieder zu betonen. Der ein oder andere würde sagen, ich bin da oft sehr streng. Integration funktioniert nur, wenn beide Seiten dazu beitragen – das habe ich jetzt gesagt, auch wenn das vielleicht eine neue Welle von Kritik auslöst. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das immer wieder betont werden sollte. Eine klare Linie. Auch in dem Fall des jungen Mannes dessen Bruder gerade in großer Gefahr ist. Er wird am meisten erreichen, wenn er seine Chance hier nutzt und seinen Weg weitergeht. So schwer das an vielen Tagen mit Sicherheit ist.
Ich freue mich euch in folgenden Texten viele dieser Menschen vorstellen zu dürfen. Und vielleicht wird durch diese Geschichten auch deutlich, wie komplex das Thema der Integration ist. Es lässt sich nicht an wenigen Beispielen erklären. Ich möchte trotzdem meine Erfahrungen mit euch teilen – freut euch auf Geschichten aus meinem Arbeitsalltag, die euch mit Sicherheit zum Lachen und zum Nachdenken bringen werden.